22.02.2010

Wände

Da könnte ich ja gleich mit der Wand reden, sage ich und bin ärgerlich. Doch die Wand ist mehr, sie wirft mir meine Worte zurück. Da könnte ich ja gleich mit der Wand reden, denke ich und bin ärgerlich. Warum eigentlich, hallt es in mir, wäre sie nicht der ideale Zuhörer, der Alles-Verstehende-Stoff aus dem ein Gedankengewebe wird unbestechlich meinen Gefühlen gegenüber, objektiver Lauscher meiner geheimsten Gedanken, stummer Wächter meines tiefsten ICHs.


Eine Wand aus Träumen türmt sich vor mir auf, auf jedem Stein eine andere Nummer, Erinnerungen durch nummerierung genormt, abzählbar.

Manchmal weicht eine Wand zurück, gibt den Blick frei auf neue Erkenntnisse. Trotzdem verschwindet sie nicht, grenzt nun an anderer Stelle das Land des Nicht-Wissens ein.

Wer zählt die Schreie der Gepeinigten, der Verlorenen, der Ausgestossenen, der Vergessenen? Selbst über die Jahrhunderte hinweg behalten die Wände ihr Geheimnis für sich. Sie sehen alles, hören alles, sind allgegenwärtig. Wände und Mauern sind Begrenzungen, sind Trennlinien, teilen drinnen von draussen, sind durchlässig, spröde, gleichgültig, formgebend.

Doch wem vertraut die Wand sich an - die Innenwand der Aussenwand oder dem geheimnisvollen Wind, der durch die Bäume zieht, immer begierig darauf das Neueste zu erfahren und es in die Welt hinauszutragen. Mauern und Wände tauschen ihre Geheimnisse nur mit der Nacht, denn nur diese ist verschwiegen genug.

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